Georgia

Stand: 02.04.2024

20.03.24: Die Fahrt mit Rons Frau ist kurzweilig. Wir reden über Politik und Liebe. Karen war bis vor zwei Jahren Bibliothekarin an einer Schule. Sie ist in Rente gegangen und hilft Ron nur gelegentlich. Als Karen verrentet wurde, wollte Ron, dass sie dauerhaft für ihn arbeitet. Was genau er an „ich bin in Rente gegangen“ nicht verstanden hätte, will sie ihm geantwortet haben. Sie würde gern reisen, „but Ron loves what he does so much“. Ron ruft während der 90-minütigen Fahrt mehrmals an und fragt, ob alles gut sei. Er gibt Tipps zum Weg. Das scheint wirklich ein Taxifahrer mit Berufung zu sein. Rons Nummer: +1 (706) 669-0919 (Er hat WhatsApp)

Ich lasse mich zur Amicalola Lodge fahren. Die Lodge liegt, anders als der Film „Picknick mit Bären“ vermuten lässt, oberhalb des Steintores zum Appalachen Trail (AT). Nachdem ich eingecheckt habe, fährt Karen mich wieder runter zum Visitor Center.

Im Visitor Center bekomme ich eine Einweisung darin, wie ich den AT in Georgia richtig hike. Der AT ist eben doch ein US-amerikanischer State Park und nicht die Wildnis. Ich werde noch einmal auf die Bären hingewiesen und dass ich vergraben soll, was ich hinterlasse. Außerdem Vorschläge für die Länge der ersten vier Etappen bis nach Neels Gap.

Mir wird mein Thru-Hiker Rucksackanhänger mit der Nummer 1435 übergeben. Den werde ich Rahmen lasse, wenn ich durchhalte.

Bei sommerlichen Temperaturen klettere ich zurück zur Lodge. Über lange Holztreppen geht es vorbei am Amicalola Wasserfall.

Der Abend endet früh. Um 20 Uhr schließt das Restaurant. Amerikanische Wanderer sind scheinbar ähnliche Spaßbremsen wie deutsche Wanderer. Mir ist nie klar gewesen, warum ich um 6 oder 7 Uhr morgens aufbrechen muss, nur um dann um 14:30 Uhr anzukommen, um w a s zu machen?

21.03.24: Um vier bin ich wach. Mir gehen die Baustellen durch den Kopf, die ich unerledigt zurückgelassen habe. Um 6:30 Uhr ist die größte geschlossen. Der Rest wird in den nächsten Wochen hoffentlich an Dringlichkeit verlieren.

Wie soll ich mich während der Wanderung nur richtig sauber halten, frage ich mich und saue mich schon beim Frühstück an dem defekten Waffelteigspender von oben bis unten ein. Ich verlasse das Hotel und laufe in die falsche Richtung. Gute Omen für die nächsten 3.525 Kilometer.

In den ersten zwei Stunden gehe ich durch einen verlassenen Wald. Wo sind all die anderen, die angeblich heute starten? Später erfahre ich, dass sich etliche den Approach Trails gespart haben und sich zum Parkplatz gleich unterhalb des offiziellen Startpunktes haben fahren lassen.

Sechs Stunden soll der Aufstieg dauern.

„It’s a state park and this is America where no child is left behind“, witzelt Kevin, als ich nach dreieinhalb Stunden oben ankomme. Kevin ist den AT 2022 von Norden nach Süden gelaufen. Er sagt, dass er sich mehr Zeit hätte geben sollen, um die Dinge am Rande des Weges mitzunehmen. Kevin ist mit seiner Mutter und deren kleinen Hund hierhergekommen. Die Mutter und der Hund haben beide blau gefärbte Haare. Sie verteilt kleine Kuchen mit Sahnehäubchen. Das ist das erste Mal, dass es „Trail Magic“ für mich gibt.

Kevin sagt, dass 20 % schon auf den ersten 30 Kilometern nach Neels Gap aufgeben würden. Als ich sagte, dass ich das nicht glauben könne, antwortete er: „Because you are German.“ Was er damit sagen wollte, ist, dass viele seiner Landsleute schlicht zu fett seien, um den Weg zu schaffen.

Zeitgleich mit mir ist Dan am Springer Mountain angekommen. Er trägt einen GPS Tracker. Ob er glaubt, dass das nötig sei, frage ich ihn. „Besides the fact that I am 25, my mother wouldn’t let me go without” ist seine Antwort. Mir fällt das Lied “Captain Jack” von Billy Joel ein. Und hier die Passage: „Well, you’re 21 and still your mother makes you bed. And that’s too long.“ Ich bin stolz auf meine selbständigen Kinder.

Laut Info aus dem Visitor Center hätte ich mein Etappenziel beim Shelter auf Springer Mountain eigentlich schon erreicht. Ich habe aber eben erst angefangen und gehe auf von Rhododendren gesäumten Pfaden weiter zum nächsten Shelter. Die Vegetation lässt erahnen, dass es hier bald schwül und heiß wird.

Das Kuhglockengeläutt entstammt meinem Kochgeschirr.

Am nächsten Shelter haben sich schon drei Wanderer eingefunden. Ein Mann meines Alters der humpelt und mich nach meinem Trailnamen fragt.

Etwas früh für einen Trailnamen. Den geben einem die anderen Wanderer, mit denen man im Laufe des langen Weges zusammen geht. „Ze German“ oder „Kraut“ würde ich zurückweisen.

Man kann sich auch selbst einen Trailnamen geben. Ein paar Tage später werde ich Achilles bei seinem zweiten Anlauf, den AT zu laufen, treffen. Achilles hat den Namen selbst gewählt.

„Ich bin Leo“, sage ich. Ich bin in diesem Moment so 100 % Leo, wie ich es nie zuvor war und hiernach nicht mehr sein werde. Aufenthaltsrecht für 12 Monate. Leo ist mein Trailname.

Außerdem ist ein Ridgerunner dabei. Er ist Mitte / Ende 20. In seinem weißen Hemd mit den Aufnähern des Appalachian Trail Conservancy sieht er aus wie eine Mischung aus Missionar der Mormonen und einem in die Jahre gekommener Pfadfinder.

Ridgerunner werden vom Appalachian Trail Conservancy bezahlt und sehen auf dem Weg nach dem Rechten. Außerdem stehen sie Wanderern bei Fragen zur Seite.

Schließlich sitzt in der Ecke noch ein hagerer Typ. Trotz sommerlicher Temperaturen trägt er lange Hose und Jacke. Er isst Nüsse aus einer Tüte. „Das ist der psychopathische Serienkiller“, geht es mir durch den Kopf. „Vielleicht arbeiten die alle auch zusammen.“ Ich entscheide noch einmal weiterzugehen.

Kurz vor meinem Schlafplatz ergibt sich die Möglichkeit zu baden. Unter den Wasserfall stelle ich mich nicht. Gestern am Amicalola Fall haben Jugendliche Steine von oben in den Wasserfall geworfen… Der kleine Teich davor wäscht den Schweiß genauso gut ab.

Um der Frage zuvorgekommen: Ich habe zwei Hemden dabei. Falls ich mal zum Essen eingeladen werde.

Am Hawks Gap Shelter hat sich um die erloschene Feuerstelle eine Gruppe versammelt. Ich bin etwas unsicher, weil ich bei deren Bildung nicht dabei war. Dragonfly, Blarney und Dave sind unter den Versammelten, wobei ich Ihre Namen jetzt noch nicht kenne – erste Annäherungsversuche. Auch Dan ist da. Er hat seine Füße und seine Isomatte in der kalten Asche liegen und es stört ihn nicht, dass beides Ruß geschwärzt ist.

Als mein Zelt steht, esse ich zwei Becher kalte Haferflocken mit Wasser. Als „cold soaker“, habe ich keinen Kocher.

Um 20:30 sind wir alle in unseren Zelten. Um 20:31 schlafe ich. Meine Lebensmittel schlafen diese Nacht in einer großen Metallkiste, die in Georgia bei den Sheltern an Bäume gekettet sind.

Nachts wache ich auf. Ich muss raus. Es ist gerade mal 23 Uhr durch. Vollmond der Campingplatz still. Kein Bär zu sehen oder zu hören. Auch sonst keine Tiere.

22.03.24: Im Dunkeln stehe ich morgens auf, packe im Schein meiner Stirnlampe und gehe um 6:30 Uhr los. Keine Angst. Das ist deshalb erwähnenswert, weil ich die Angst im Dunkeln erst in den letzten zehn Jahren verloren habe. Man kann mit dem Alter also auch mutiger werden.

Am nächsten Shelter treffe ich auf Steve. Mir scheint, dass der hier im Wald wohnt. Er sagt mir, dass es an der nächsten Kreuzung wieder Trail Magic gäbe. Es soll am Nachmittag regnen und ich gehe dennoch weiter. Ich will unbedingt den Kaffe, den ich am Morgen nicht hatte.

Die Trail Magic ist die erste große. Die Mitglieder der Benchmark Adventure Ministries betreiben sie. Trail Magics sind oft religiös motivierte Events. Ich muss nicht beten und der Kaffee ist gut. Der small talk mit Dragonfly auch. Sie ist noch vor mir losgegangen und hat die Spinnweben aus dem Weg geräumt.

Gleich nebenan wartet außerdem einer, der allem Anschein nach vom Appalachian Trail Conservancy bezahlt wird. Er verteilt Blasenpflaster und klärt über den nächsten Wegabschnitt auf. (…US-Amerikanischer State Park mit Vollkasko. Oder „No child is left behind“) Ich erhalte eine Rettungsdecke, die in meinem Erste Hilfe Kitt unerklärlicherweise fehlt.

Weiter, den Regen drohend im Nacken. Kurz vor Woody Gap die ersten Tropfen. Die Schutzhülle für meinen Rucksack ist zu klein. FCK ich hatte die nur am leeren Rucksack ausprobiert. Richtig will es zum Glück noch nicht anfangen zu regnen. Ich erreiche den Campingplatz – die Stelle, an der Wanderer zelten sollen. Sie liegt windgeschützt in einem alten Steinbruch. Es bleibt mir genug Zeit, mein Zelt aufzubauen, es noch einmal an eine höhere Stelle umzusetzen und um Wasser zu holen. Um 16:30 krieche ich in meinen Sack und verbringe einen wunderbaren Abend im Zelt, zwar ungeduscht und verschwitzt, aber mit glücklichen Gedanken an zu Hause.

23.03.24: Am nächsten Morgen breche ich noch früher und im Nebel auf. Dass ich mir nicht in die Hosen mache ist echt erstaunlich. Nur einmal knackt es in den Büschen neben mir und fühle mich kurz unwohl. Aber nicht diese Angst aus früheren Tagen, bei der man sich immerzu umdrehen muss, weil man den Lustmörder oder ein wildes Tier, einen Säbelzahntiger hinter sich wähnt.

Die Sonne geht auf, es geht gut voran. Während des Aufstiegs auf Blood Mountain kippte meine Stimmung. Blood Mountain ist der höchste Berg in Georgia. Ich kann mir den Stimmungseinbruch erst nicht erklären. In Neels Gap esse ich zwei Tüten m&m‘s und einen Snickers. Zwei Kaffee, eine Dusche, eine Yum-Yum-Tütensuppe, eine Peperoni-Pizza und vier Klementinen später geht´s mir wieder gut. Ich muss einfach nur aufpassen, dass ich genug esse.

Am frühen Nachmittag liege ich auf einem weichen Bett und freue mich auf meine Nacht in Bettwäsche. Draußen soll es heute trocken, aber mit einem Grad Celsius so kalt sein, dass ich froh bin zu sein, wo ich bin.

24.03.24: Ich habe gut geschlafen in meinem Bett. Allerdings musste ich mir in der Nacht den Daunenschlafsack als zusätzliche Decke nehmen. Es ist kühl in der Hütte. Hätte ich etwa noch Feuerholz kaufen müssen, um zu heizen? Heute Morgen ist es zu spät dafür. Es ist Sonntag. Die Rezeption ist geschlossen, das junge KK Paar mit Kind, das die Hütten betreibt, ist in der Kirche. Schon gestern dudelte die ganze Zeit christlicher Rock aus dem Lautsprecher in der Lobby.

Ich bleibe noch ein bisschen im warmen Bett, sehe es hell werden, sehe den Bergrücken und den Wald, der von Licht dahinter durchflutet wird. Ich habe keine Eile. Der Kaffeeladen macht erst um 8 Uhr auf und ich muss nur zehn Meilen bis zum nächsten Campingplatz schaffen. Während ich unter der Decke schreibe springt die Gasheizung an.

Etliche werden zwar gestern den Regen noch hingenommen haben. Heute Nacht mit Temperaturen um den Gefrierpunkt hat es aber bestimmt dem einen oder anderen das Genick gebrochen und sie haben das Projekt AT aufgeben.

Es dauert bis kurz nach 10, bis ich endlich aufbreche. Ich trinke noch Kaffee beim Outfitter und Resupply, kaufe vier Stück Obst, gleicher Preis pro Stück Banane oder Klementine und gehe gemächlich los.

Auf einer Anhöhe mit wunderbarer Aussicht haben sich einige thru-hiker und Tagesausflügler versammelt. Während ich ein Foto mache sagt einer der Tagesausflügler: „We live in the most beautiful country“. „If only you won’t ruin it during next election“, rutscht es mit raus. Dave hat es gehört und amüsiert sich. Die anderen steigen nicht drauf ein. Die thru-hiker sind alle liberal. Die Bevölkerung der Landstriche, durch die ich wandere, sind es nicht.

Einer der Tagesausflügler ist (ein anderer) Steve. Steve ist 67 Jahre alt und hat in Boston studiert. In der Covid Zeit hat ihn seine Frau gebeten auszuziehen. Das alles erzählt er, während wir den Berg runtergehen. Wir kommen ins Gespräch, obwohl ich nach dem Gipfelereignis erst nicht wollte. Ich berichte von meiner Not und dass ich auf der Suche nach einer neuen Aufgabe bin. Steve ist Personal Coach. Er hilf jungen Leuten bei der Verkürzung ihrer Lernkurve. So etwas könnte ich mir auch für mich vorstellen. Nicht mehr selber machen, sondern andern helfen zu machen. Steve gib mit seine Karte und sagt, dass er glücklich sei. Heute Abend käme seine Freundin (51). Sie würden Ribeye Steak essen.

Die Begegnung mit Steve war eine auf die ich gehofft habe. Das waren neue Impulse. Davon bitte mehr.

Auf dem weiteren Weg wieder Trail Magic – diesmal ganz groß und römisch katholisch. Dale steht hinter dieser Aktion. Er kämpft seit acht Jahren gegen den Krebs und Gott hätte ihm aufgetragen, dass er den Hikern helfen solle. Er erzählt das auf Anfrage. Es gibt u.a. einen Gemüseeintopf. Das erste gesunde Essen, seit ich in den USA bin. Das gemeinsame Gebet das Dales Frau spricht, mit der er 43 Jahre verheiratet ist, ist nicht aufdringlich. Es geht um die äußere und innere Last, die wir tragen. Ruhig Leo, die sehen nur deinen Rucksack und der ist eindeutig außen.

Selbst Dave findet das es angemessen war und stellt klar: „I normaly pray to pancakes“

Nach und nach brechen wir Richtung Low Gap Shelter auf. Es dauert ewig, bis ich ankomme. Bin ich schon vorbeigelaufen? Gegen 18 Uhr komme ich endlich an. Der Shelter liegt etwas unterhalb des Passes. Hier sind alle Plätze zum Zelt aufstellen belegt. Auf dem Pass geht ein eisiger Wind. Weitergehen? Ich entscheide mich zu bleiben.

Erstmalig hänge ich meine Lebensmittel im Packsack meines Schlafsacks an den Ast eines Baumes. So hoch, dass die Bären nicht rankommen. Kaum hängt er, finde ich die Klementinenschalen in meiner Hosentasche. Es liegt noch ein langer Weg vor mir, bis ich ein richtiger Pfadfinder werde.

Lagerfeuerromantik kommt bei diesen Temperaturen nicht auf. Ein paar der Jungen rauchen Joints. Sie machen das schnell, fast heimlich. Wie damals, rauchen hinterm Schulklo. Dan mit dem GPS Tracker ist auch dabei. Nee, von denen werde ich nichts lernen, obwohl sie jung sind.

25.03.24: Gegen drei wache ich auf. Mir ist kalt. Die Kälte kommt vom Boden. Mein Hintern und meine Schultern liegen auf. Meine Luftmatratze verliert Luft. Ich pumpe neu auf und schlafe bis um sieben. Es ist hell. Hier auf dem Pass geht immer noch ein eisiger Wind. Ich ziehe einfach die Tagesklamotten über mein Schlafzeug und beginne zu packen. Nicht schön, einfach rein in den Rucksack.

Als ich meinen Packsack für den Schlafsack vom Baum holen will, mache ich einen Fehler. Ich habe zwar den Packsack vom Karabiner genommen. Den Karabiner aber nicht von der Leine gelöst. Ich bin unachtsam, ziehe an der Leine, die durch den Karabiner läuft und der Karabiner wandert nach oben außer Reichweite.

Mit zwei aneinander gebundenen Wanderstöcke komme ich schließlich doch noch ran. Gut, dass mich keiner gesehen hat.

9,7 Meilen muss ich heute nur gehen, um nach Unicoi Gap zu kommen. Von da will ich nach Hiawassee trampen. Um 8 gehe ich auf dem Kammweg los; einem alter Track. Vor meinem geistigen Auge sehe ich hier Planwagen entlang holpern – vielleicht ist es nur ein Forstweg.

Ich ziehe meine Windjacke wieder an. Der Wind ist eisig. Ich überhole Blarney. Er steht in kurzer Hose und eine sehr dünnen Windjacke, die er über seinem Hawaii-Hemd trägt und isst im stehen. Er hätte gestern seine Handschuhe und die warmen Sachen nach Hause geschickt. Meine Ersatzleggins will er nicht. Auch ich hatte mich schon mit dem Gedanken getragen, mein Wandergepäck durch weglassen warmer Kleidung zu erleichtern. Lass dir das eine Warnung sein Leo, vor den Smoky Mountains wird nichts entsorgt!

In den ersten zwei Stunden gehe ich allein. Als ich eine Trinkpause mache kommt Rob. Er macht Tagesausflüge. Er möchte bald eine mehrtägige Wanderung in Peru machen und Machu Picchu erwandern. Dafür will er fit sein. Er geht voran. Er geht zügig, weil er nur einen kleinen Tagesrucksack trägt. Ich lasse mich gern ziehen und bleibe an seinen Hacken. Wir machen Small Talk. Nicht so inspirierend wie am Vortag mit Steve, aber kurzzeitig. Robs Frau wandert nicht. Ich berichte von meiner Pyrenäen Wanderung. Von den Pyrenäen habe er kürzlich Bilder gesehen. Da würde er gern auch einmal Wander, „one of these days“, also nie.

Hebt der nicht ab zum Flug, weil seine Frau ihn nicht lässt oder will er eigentlich nicht. Ich bin mir nicht sicher. Nach Karen, Rons Frau, ist dass die zweite Person, die angeblich vom Ehepartner gehindert wird.

Von Unicoi Gap geht es mit dem Shuttle nach Hiawassee. Ich werde einen Pausentag im Holiday Inn machen. Dragonfly muss nach Hause zu Mann und Kindern und Blarney lässt sich von Dragonfly bei seinem Onkel vorbeifahren. Für das Wochenende, wie er sagt. Es ist Montag. Ich glaube für Blarney ist die Wanderung zu Ende.

Das Holiday Inn ist wie jedes andere Hotel in den USA nur dass die Waschmaschine kaputt ist. Nach dem Frühstück mache ich mich daher auf zum Waschsalon. Ich kaufe Waschpulver und einen Schlüsselring für 1,30 $ plus Steuern. Das macht irgendetwas Krummes. Ich lege eine Dollar-Note und die Münzen, die ich habe, auf den Tisch. In Summe nicht mehr als zwei Dollar. Sie solle sich nehmen, was sie brauche, ich kenne die Münzen nicht, sage ich. Das sprengt ihren Horizont. Sie kommt später noch einmal, um zu mir zu sagen, dass ich die Münzen kennen müsse, damit ich nicht übers Ohr gehauen werde. Wie unterschiedlich die Wertigkeiten sind. Etwas mehr Demut Leo.

Ich gehe noch zum Friseur. Ich will gut aussehen, auch wenn es keiner sieht. Den Leerlauf des Nachmittags nutze ich zum Schreiben. Dass das so viel Zeit in Anspruch nimmt, hätte ich nicht erwartet.

26.03.24: Um kurz nach sechs geht der Wecker. Ich werde aus einem Albtraum gerissen, von dem ich mich den ganzen Tag lang nicht mehr erhole. Im Traum offenbart mir meine Frau, dass Sie im Oktober den Anderen heiraten wird. Ohnmacht, Verzweiflung.

Nach dem Frühstück lasse mich von Grace zurück zur Unicoi Gap fahren. Ich „slack packe“ heute. Mein Rucksack bleibt im Hotel und ich gehe den nächsten Abschnitt mit leichtem Gepäck. Grace kommt eigentlich aus Tampa, Florida. Sie war früher Polizistin. Bevor sie in den Ruhestand ging, hat sie 35$ die Stunde verdient. Als ihre vier Töchter ausgezogen sind, wollte sie nicht allein im großen Haus bleiben. Sie hat das Haus verkauft und ist nach Hiawassee gezogen, um Wanderer zu unterstützen (und damit Geld zu verdienen). Heute betreibt sie den Shuttle-Service Hitch a Hiker. Grace jüngste Tochter ist ihr nachgezogen. Auch sie ist Polizistin in Blairsville. Als Rookie bekommt sie nur 20$ die Stunde. Grace hofft, dass sie in der Gegend bleibt.

Es ist ein einsamer Wandertag zur Dick’s creek gap. Unterwegs macht mir Tinkerbell Mut und sagt, dass sich die Traimilies erst nach den Smokies bilden würden. Dann rennt er davon. Abends treffe ich mich mit Dave im Hiawassee Brew. Er wird morgen noch einen Pausentag machen. Damit bin ich endgültig wieder allein.

27.03.24: Am nächsten Morgen fahre ich mit dem kostenlose Town Shuttle um neun auf den Berg. Die Wanderer des AT sind ein Wirtschaftsfaktor.

Obwohl ich allein starte ist der Tag voller kurzer schöner Begegnungen. Eine davon ist John (71). Als ich ihm sage, dass ich den Schlafsack nicht wieder warm kriege, wenn ich nachts raus müsse, antwortet er, dass er dafür eine Nalgene Flasche dabei hätte. Die hätte eine große Öffnung, sei mit einer Skala versehen und durchsichtig. So wisse er wie viel er gepinkelt hat und ob er ausreichend hydriert sei. Danach schraube er zu und nähme sie mit in den Schlafsack, das sei schön warm. Ich muss lachen, weil ich auch eine Nalgene Flasche habe. Alte Männer unter sich. 😀

Weiter geht es bis Meile 77 und ich bin in North Carolina.


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